Mittwoch, 7. Oktober 2009

"Einfach Menschlichkeit?" "Liebe deinen Nächsten?", so erklärte Marga Spiegel ihre Rettung vor dem Zugriff der Nazis durch Bauern im Münsterland


Marga Spiegel und ihre Darstellerin Veronica Ferres, Foto dpa

Seit dem 18. August 2008 wurde nahe Dülmen, Wadersloh und Lippstadt, Westfalen, die deutsch-französischen Co-Produktion „Unter Bauern“ (AT), gedreht. Sie kommt jetzt in die Kinos. Zwischen der betagten und geistig überaus lebendigen Zeitzeugin und ihrer biographischen Darstellerin entstand ein inniges freundschaftliches Verhältnis, das Glaubwürdigkeit und Echtheit des Films unterstreicht. Solche "Wahlverwandschaften" können gewiss dann entstehen, wenn Deutsche Herz zeigen Anmerkung1.

In den Hauptrollen stehen neben Veronica Ferres („Ein Leben für ein Leben – Adam Resurrected“, „Klimt“) und Armin Rohde („Nacht-schicht“, „Herr Bello“) als Marga und Menne Spiegel, Margarita Broich („Vier Fenster“, „Teufelsbraten“) und Martin Horn („Die Buddenbrooks“, „Stauffenberg“) sowie die junge Lia Hoensbroech als Familie Aschoff vor der Kamera des israelischen Kameramanns Danie Schneor („The Smile of the Lamp“, “Late Marriage“). In weiteren Rollen sind Marlon Kittel („Sommersturm“, „Paule und Julia“) und Veit Stübner („Die Fälscher“, „Fleisch ist mein Gemüse“) zu sehen. Regie führt der aus Holland stammende Ludi Boeken, der für seine vielfältige Arbeit als Produzent, Regisseur und Autor mehrfach ausgezeichnet wurde („Deadlines“, „Zug des Lebens“/“Train of Life“).
„Unter Bauern“ (AT) basiert auf den Erinnerungen von Marga Spiegel. In ihrem Bericht, der 1965 als Buch mit dem Titel „Retter in der Nacht“ erschienen ist, schildert sie, wie couragierte Bauern im Münsterland von 1943 – 1945 ihren Mann versteckten und sie selbst mit ihrer Tochter unter falschem Namen auf dem Hof aufnahmen. Damit gelang es den Bauern, das scheinbar Unmögliche zu verwirklichen: Die gesamte Familie zwei Jahre lang zu schützen und vor der Deportation zu bewahren, ohne dafür mit dem eigenen Leben zu bezahlen, oder bestraft zu werden.

Heute morgen war in der DW eine aktuelle aufgezeichnete Kerner-Sendung zu sehen, zu der die eindrucksvolle 98-jährige Marga Spiegel und ihre junge Darstellerin und jugendliche Freundin, Veronika Ferres, eingeladen waren. Die Schilderungen über die Ereignisse 1943-45 aus der Sicht der Betroffenen und Zeitzeugin, unterstützt durch Szenen des Films, waren bewegend und Gegenwart-nah, einzigartig und bedeutend, sicherlich so wichtig wie Spielbergs "Schindlers Liste". Über das Film-Thema hinaus schilderte Frau Spiegel ihre tiefgründige Angst vor Männer-Gruppen der Krieg-Gereration, noch bis weit in die Nachkrieg-Zeit hinein. Sie betonte: "Aber es waren merkwürdigerweise nur immer Männer, nie Frauen", die ihre "Phobie" auslösten. Sie betonte die Unschuld der jungen Generationen in Deutschland, die das Wissen über die Geschehnisse nicht verdrängen sollen, um stets gewappnet zu sein, damit sich so etwas nicht wiederholt und schon Anfänge abgewehrt werden können.


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Anmerkung1

Auch ich hatte einmal Gelegenheit, Herz zu zeigen. Aber ich habe kläglich versagt. Da hatte ich eine Autorin, aufgewachsen in Leningrad-St. Petersburg, gab ein Buch von ihr heraus, machte mit ihr die ganze verlegerische Arbeit an diesem Buch (Lada Nikolenko, "Pierre Mignard"), plante mit ihr weitere Projekte, wurde von ihr wie ein Sohn aufge-nommen, wenn ich in München war - und kümmerte mich dennoch nicht um den wichtigsten tragischen Teil ihrer Lebensgeschichte, denn sie überlebte die Belage-rung von Leningrad, die Leningrader Blockade durch deutsche Truppen. Die Deutschen befolgten eine gnadenlose vernichtende Aushungerung-Strategie der gesamten Zivilbevölkerung, der ca. 1,1 Millionen Menschen zum Opfer fielen, siehe hier, Punkt 11 und 12. Lada war mitten in diesem Leid. Als Folge davon hatte sie schlimme Nerven-Schmerzen. Trotzdem hatte sie so gut wie immer ein fröhliche Ausstrahlung. Als Deutschen wollte sie mich wohl schonen, machte nur einmal eine Andeutung. Ich fragte nicht nach, ließ sie von ihrer Zeit in New York erzählen, von großer Gesellschaft, von ihrem Mann, der ein begnadeter Maler war, von ihrem wissenschaftlichen Schönheiten-Archiv, das während ihrer Tätigkeit am Zentralinstitut für Kunstge-schichte in München entstand. Nun lebt sie nicht mehr, und ich kann nicht mehr fragen, kann keinen direkten Anteil mehr nehmen.




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